Rede von Norbert Gast im Jugendhilfeausschuss zum Haushalt: Entschlossen gegen Kinder- und Jugendarmut, mehr Service für Familien und gute Jugendverbandsarbeit

  • Veröffentlicht am: 22. Februar 2021 - 16:16

Es gilt das gesprochene Wort.

Entschlossen gegen Kinder- und Jugendarmut, mehr Service für Familien und gute Jugendverbandsarbeit

Die Haushaltsberatungen in Zeiten von Corona sind besonders Anspruchsvoll. Im Bereich des Jugendhilfeetats sind hier besonders drei Punkte hervorzuheben:

  1. Die Haushaltslage ist extrem schwierig.
  2. Die Krise erzeugt neue Armut und trifft arme und armutsgefährdete Familien besonders hart.
  3. Die Situation ist insgesamt für Kinder, Jugendliche und Familien besonders belastend.

Starten wir mit Punkt eins – der Haushaltslage – für uns ist der Kinder- und Jugendbereich, trotz des defizitären Haushalts, auch dieses Jahr wieder ein klarer Schwerpunkt der Haushaltsberatungen. Wir setzen hier insgesamt fast 2 Mio.Euro mehr ein. Auch wenn wir hier auch Gegenfinanzierungsvorschläge bringen, so sprechen wir uns doch klar und ganz entschieden gegen die drastischen Sparvorschläge der konservativen und der rechten Opposition aus!

Kommen wir auch schon zu Punkt Nummer 2: In Hannover leben nach wie vor zu viele Kinder und Jugendliche in einer von Armut geprägten Situation. Wie bereits zum letzten Haushalt versuchen wir auf kommunaler Ebene alles, um Teilhabechancen auch in Armutssituationen zu ermöglichen.

Während wir im letzten Haushalt bewährte Maßnahmen und Programme gestärkt haben, die präventiv gegen Kinder- und Jugendarmut wirken, möchten wir in diesem Haushalt die Aktivitäten der Verwaltung wieder verstärkt auf den „Hannoverschen Weg“ gegen Kinder- und Jugendarmut ausrichten.

Wir wollen, dass der Hannoverschen Weg aktualisiert wird und neuen Schwung bekommt und auch die Krisenfolgen in den Blick nimmt! Wichtig ist es, dass die Hilfen aufeinander abgestimmt sind und die Übergänge so gestaltet werden, dass kein Kind, kein Jugendlicher, keine Familie mehr verloren geht. Dass alle die nötige Unterstützung erhalten, um Teilhabechancen ergreifen zu können.

Für Hannover haben wir, gemeinsam mit unseren Bündnis-Partner*innen, dazu einen Fonds aufgelegt, der zunächst für Maßnahmen freier Träger*innen, in einem weiteren Schritt möglichst auch für Einzelförderungen für Kinder- und Jugendliche genutzt werden kann. Dann wird er den HannoverAktivPass und auch die Leistungen im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets ergänzen. Flankierend dazu soll eine Expert*innen-Kommission eingerichtet werden, die dabei helfen soll, das Thema Kinder- und Jugendarmut aus allen wichtigen Perspektiven zu beleuchten und die Unterstützungsangebote weiterzuentwickeln.

An dieser Stelle ist anzumerken, dass wir von Bundes- und Landesebene hier in der Kommunalpolitik viel zu wenig Unterstützung erhalten. Notwendig wäre eine Systemumstellung hin zur Kindergrundsicherung, um das Armutsrisiko „Kinder und Familie“ insbesondere auch für Ein-Eltern-Familien zu senken.

Würde sich die Bundes- und die Landesebene ernsthaft dazu bekennen, die Lagen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, wäre auch uns in Hannover sehr geholfen. Der HannoverAktivPass wie auch der geplante HannoverFonds sind rein freiwillige Leistungen, die wir dennoch für wichtig und gut befinden und die wir aus dem schmalen Finanzkorridor der Kommune herausschmelzen, weil wir auf kommunaler Ebene die Nöte der Familien kennen und unmittelbar sehen. Beispielsweise haben wir uns dafür entscheiden den besonders von Armutslagen belasteten Stadtteil Sahlkamp in diesem Haushaltsjahr besonders in den Blick zu nehmen: Wir haben die Mittel bei den dortigen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe deutlich aufgestockt.

Leider passiert auf Bundes- und Landesebene viel zu wenig: die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz erfolgt halbherzig und bleibt hinter der UN-Kinderrechtskonvention zurück. Der Entwurf des neuen Niedersächsischen Kita-Gesetzes, das dieses Jahr verabschiedet wird, ist kraftlos und rückständig: Keine Inklusion, keine Verantwortungsübernahme für echte Qualitätssteigerung, die Situation in Großstädten wie Hannover, die in Familienzentren etc. investiert haben, wird ausgeblendet.

Wir müssen deshalb aus den Kommunen ganz klar das Signal an das Land senden, dass wir ein vernünftiges Kita-Gesetz benötigen um Inklusion zu ermöglichen und damit die Kommunen nicht Qualität und die Einbindung in die Sozialräume alleine finanzieren müssen.

Klar ist uns auch, und dass bringt mich zu Punkt Nummer drei: Die aktuelle pandemische Lage mit ihren Einschränkungen, mit dem immensen Druck, der auf den Familien lastet, fordert einen Tribut und wird weitere Folgen haben. Darauf müssen wir vorbereitet sein – auch dazu soll der Antrag zur Milderung der Folgen von Armutslagen unter Kindern und Jugendlichen dienen. Genau weil uns der Druck der auf fast allen Familien lastet bekannt ist, wollen wir auch auf einen Teil der Erhöhung des Essensgeldes verzichten, sodass die Erhöhung in 2022 nur zur Hälfte erfolgt.

Wir wollen auch mehr Service für Familien haben – und zwar für alle Familien. Daher möchten wir das FamilienServiceBüro weiterentwickeln: Es sollte viel mehr sein, als eine Agentur zur Vermittlung von Kinderbetreuungsplätzen. Nicht falsch verstehen, das ist natürlich auch eine überaus wichtige Aufgabe. Aber wir wollen, dass es dort noch mehr Service, Beratung und Unterstützung für zusätzliche Bereiche gibt. Auch dazu haben wir einen Antrag eingebracht.

Zu einem weiteren Thema, das für uns immer auch eine Stärkung der Demokratiefestigkeit unserer Gesellschaft beinhaltet, ist die Sicherung der Jugendverbandsarbeit. Hier sichern wir die vor zwei Jahren auf den Weg gebrachten Verbesserungen bei der Personalausstattung des Stadtjugendrings wie auch die Systematik bei der Verbandsförderung, ohne dass hierfür gravierende Kürzungen an anderer Stelle anfallen müssen. Auch das Projekt Gleis D, das wir als absolut wichtig und attraktiv für die offene Kinder- und Jugendarbeit ansehen, haben wir finanziell so ausgestattet, dass deren Arbeit verstetigt werden kann.

Wir adressiere mit unseren Anträgen die drei von mir angesprochenen Punkte genau in dem Maße wie es die Haushaltslage zulässt. Sodass Hannover handlungsfähig bleibt und eine gut aufgestellte Kinder- und Jugendhilfe behält, um auf die Corona-Krise und ihre Folgen reagieren zu können. Dennoch gilt es in den nächsten Jahren sehr aufmerksam zu sein. Wir müssen genau hinsehen, wie Kinder in Hannover aufwachsen, wie sie die Corona-Krise verarbeiten, wo wir durch das Brennglas der Krise Bedarfe besser sehen können und wir müssen danach handeln. Mit den von uns im Haushalt angestoßenen Initiativen sehen wir uns, sehen wir die Veraltung, sehen wir die Stadtgesellschaft dazu in der Lage.

Ich bedanke mich bei Christopher Finck und bei Patrick Döring für die guten Gespräche zu den Anträgen sowie bei allen, die diese Haushaltsaufstellung und diese Haushaltsplanberatungen und letztlich auch unsere Anträge dazu ermöglicht haben.“

 

Unsere Bündnis-Anträge im Einzelnen:

Gegen Kinder- und Jugendarmut:

  • Einrichtung eines Hannoverfonds, Aktualisierung und Weiterentwicklung des Hannoverschen Wegs gegen Kinderarmut (Geld für Maßnahmen, ggf. Individualleistungen, Expert*innenkommission), dafür bereitgestellte Mittel: 200.000 Euro in 2021 und 350.000 Euro in 2022.
  • Zur Finanzierung des Hannoverfonds abgesenkte Posten:
    • Sammeltopf Initiativen zur kulturellen Bildung: um 75.000 Euro abgesenkt.
    • Verschiebung der Maßnahmen zur Umsetzung von Jugendbeteiligung nach 2022
    • Reduzierung der Zuwendung an das Rockmobil um 47.309 Euro (Gegenfinanzierung aus Mitteln der Ganztagsgrundschulangebote wird empfohlen)
    • Reduzierung des Sammeltopfs für Kinderbetreuungsangebote im Fluchtbereich um 30.000 Euro (Sammeltopf wird derzeit nicht mehr voll ausgeschöpft).
    • Verzicht auf einen Teil der Erhöhung des Essensgeldes (nur 5 Euro statt 10 Euro pro Monat bis 2024)
    • Aufstockung der Angebote am Sahlkamp (Nadu-Kinderhaus rund 13.000 Euro mehr, VCP Kiefernpfad und Stadtteilbauernhof jeweils 30.000 Euro mehr).

Services für Familien:

  • Das Familienservicebüro soll so umgestaltet werden, dass es neben der Betreuungsplatzvermittlung auch Antragsbearbeitung, Wissensvermittlung und weitere Service an einem Desk für Familien anbieten kann. Auch die frühzeitige, aktive Information über die Hilfs-, Unterstützungs- und Bildungsangebote für junge Familien soll es voran bringen.
  • Die Familienberatung / Fachberatung der AWO bleibt erhalten.

Jugendverbandsarbeit:

  • Zur Sicherung der Geschäftsstelle beim Stadtjugendring und der Förderung der Jugendverbände werden für 2021 rd. 160.000 Euro und für 2022 rd. 240.000 Euro mehr eingesetzt.
  • Der Mietkostenzuschuss für Kinder- und Jugendeinrichtungen wird erhöht und der Ansatz entsprechend um 50.000 Euro angehoben.

Offene Kinder- und Jugendarbeit:

  • Gleis D erhält knapp 50.000 Euro mehr zur Verstetigung des Angebots.
  • Der Märchenkoffer erhält 20.000 Euro p.a. zur Weiterführung seines bilingualen Angebotes und der Ferienmaßnahmen.
  • Es sollen für die BMX-Strecke am Jugendsportzentrum weitere Finanzierungsmöglichkeiten geprüft werden.
  • Die Brandschutzmaßnahmen im Bethlehemkellertreff werden mit rd. 20.000 Euro in 2021 bzw. rd. 40.000 Euro in 2022bezuschusst.
  • Die Finanzierung der AWO Station Glashütte soll überprüft und ggf. auf Leistungsvereinbarung umgestellt werden.

Beratung:

  • Return erhält 25.000 Euro in 2021 und 2022 zur Beratung bei problematischem Medienkonsum