Clausen-Muradian/Gardemin, Rede zum Haushalt 2021/22 im Rat: Grüne gestalten eine solidarische, zukunftsfähige Stadt

  • Veröffentlicht am: 25. März 2021 - 11:02

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Dr. Elisabeth Clausen-Muradian
Elisabeth Clausen-Muradian, Foto: Sven Brauers

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Daniel Gardemin
Daniel Gardemin, Foto: Sven Brauers, © Grüne Hannover

Redebeitrag der Fraktionsvorsitzenden Dr. Elisabeth Clausen-Muradian und Dr. Daniel Gardemin in der Ratssitzung am 25. März 2021 zum Doppelhaushalt 2021/2022.

Es gilt das gesprochene Wort.

Grüne gestalten eine solidarische, zukunftsfähige Stadt

 

„Wir befinden uns nicht nur in der Schlussphase unserer Haushaltsberatungen, sondern auch in einem Superwahljahr. Einige haben auch in Hannover bereits den Wahlkampf eröffnet. An den Zahlen der vorangegangenen Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen lässt sich klar erkennen: Grüne Politik setzt zukunftswirksame Schwerpunkte, Grüne gestalten, und das kommt an. Darin sehen natürlich auch wir unseren Auftrag auch und gerade für den kommunalen Haushalt, denn dieser bildet das wirtschaftliche Fundament und mit ihm setzen wir die finanziellen Rahmenbedingungen für das „Funktionieren“ der Stadt und unser Zusammenleben in ihr im besten Sinne.

Handlungsmaßgabe unserer Grünen Ratsfraktion ist die Gestaltung einer solidarischen, zukunftsfähigen Stadt. In den Bereichen Jugend und Bildung, Soziales, Wohnen sowie Umwelt und Klima liegen daher auch die Schwerpunkte unserer Initiativen und Anträge zum aktuellen Doppelhaushalt.

 

Die Coronakrise und ihre Folgen verlangen allen viel ab. Soziale und wirtschaftliche Gräben werden noch deutlicher sichtbar, Unterstützung ist durch alle Fachbereiche und auf allen Ebenen nötig. Trotz der angespannten Haushaltslage versuchen wir diese Unterstützung zu bieten, beispielsweise durch die Verlängerung des Corona-Stabilitätspakets und zahlreiche Zuwendungsanträge.

 

An unseren Haushaltsanträgen lässt sich gut ablesen, wie sehr wir die Zusammenarbeit mit den Freien Träger*innen und Netzwerken schätzen. Sie engagieren sich direkt am Puls des Geschehens und haben die jeweilige Zielgruppe direkt im Blick. Die Sparten Soziales, Bildung, Jugend, Sport, Kultur, Gleichstellung, Migration und Umwelt leisten hier eine äußerst wichtige Arbeit in der Stadt, im direkten Kontakt mit Beteiligten, Betroffenen und Aktiven. Diese Erfahrungen gilt es zu nutzen, um das Zusammenleben in Hannover weiterzuentwickeln. Bereichsübergreifend und im Zusammenspiel mit der Verwaltung können wertvolle Strategien entstehen, die die Stadt auf krisensichere Beine stellen.

So vielfältig wie unsere Stadtgesellschaft ist, sollten auch die Angebote und Herangehensweisen sein.

 

Ein elementarer Themenbereich ist für uns Bildung und Teilhabe. In den letzten Monaten zeigten sich hier ganz klar die Schwachstellen, zu viel wurde durch Schließungen den Familien überlassen. Mit unseren Anträgen setzen wir uns für vielfältige Lernangebote und eine bedarfsgerechte Bildung ein, die Defizite auffangen und punktgenaue Unterstützung bieten können. So wird eine weitere Förderung durch die Sommerschule möglich und naturnahe Lernorte und IGSen werden gestärkt.

Seit mehr als zehn Jahren ermöglicht zudem der erfolgreich etablierte HannoverAktivPass die Teilhabe an Bildungs-, Sport- und Kulturangeboten. Gerade diese Teilhabe ist durch die Coronakrise verstärkt gefragt und nötig, daher haben wir uns für die Weiterführung des Angebots stark gemacht.

 

Ein weiteres Thema, das für uns immer auch die Stärkung der Demokratiefestigkeit unserer Gesellschaft beinhaltet, ist die Sicherung der Jugendverbandsarbeit. Hier sichern wir die vor zwei Jahren auf den Weg gebrachten Verbesserungen bei der Personalausstattung des Stadtjugendrings wie auch die Systematik bei der Verbandsförderung, ohne dass hierfür gravierende Kürzungen an anderer Stelle anfallen müssen.

Die Coronakrise erzeugt neue Armut und trifft arme und armutsgefährdete Familien besonders hart. Der Druck auf Familien steigt durch die Mehrfachbelastung. Daher sprechen wir uns ganz entschieden gegen die drastischen Sparvorschläge der konservativen und der rechten Opposition für den Kinder- und Jugendbereich aus; dieser muss gestärkt werden!

Wir wollen daher das Angebot des FamilienServiceBüros weiterentwickeln; es kann viel mehr sein, als eine Agentur zur Vermittlung von Kinderbetreuungsplätzen. Das ist natürlich seine wichtige Kernaufgabe, aber wir wünschen uns dort mehr Service und Beratung für die weiteren Herausforderungen des Familienlebens.

Um Familien zusätzlich finanziell zu entlasten, wollen wir auf einen Teil der Erhöhung des Essensgeldes verzichten, so dass die Erhöhung in 2022 nur zur Hälfte erfolgt.

 

Ein wichtiger Aspekt für die gesellschaftliche Teilhabe ist der Sport. Nicht nur, aber besonders für Kinder und Jugendliche, vor allem aus sozial benachteiligten Familien. Deshalb wollen wir die hannoverschen Sportvereine durch den Aufbau von Kooperationen und Fusionen stärken; eine städtische Servicestelle soll dies unterstützen. Neben den Vereinen sehen wir die wachsende Fun- und Freesportszene, gerade für junge Aktive, und wollen zusätzlich diese gezielt fördern. Denn die Mehrheit der Sportler*innen ist ohne bindende Vereinsstrukturen unterwegs und nutzt Sport- und Bewegungsangebote im öffentlichen Raum. Zudem haben wir bei der Sanierung und Finanzierung unserer Schwimmbäder den Akzent auf das Misburger Bad und das Fössebad gesetzt. Denn sie sind ein wichtiger Baustein für die Bäderversorgung in der Stadt, für Gesundheit und Bewegung, für den Sport und nicht zuletzt auch dafür, dass alle Kinder früh und gut schwimmen lernen.

 

Im Sozialbereich setzen wir uns mit unseren Haushaltsanträgen speziell für die Obdachlosenhilfe, die Suchthilfe und eine Weiterentwicklung der Wohnquartiere ein. Wir haben uns hierfür maßgeblich auf die beiden Themenfelder Prävention und bedarfsgerechte Unterstützung auf Augenhöhe konzentriert. Weg von der reinen Mildtätigkeit, hin zur Selbstermächtigung.

 

Auch im Bereich Gleichstellung machen wir uns mit unseren Haushaltsanträgen für vielfältige Prävention und Beratung stark. So soll unter anderem „We Take Care“ als Projekt für ein sicheres Nachtleben verstetigt werden. Mit der Förderung von „TäBea“ werden Beratung und Training für Verursacherinnen von Gewalt sowie Fortbildungen von Multiplikator*innen unterstützt. Durch das Projekt „Berta“ kann eine Cloud für wohnungslose Frauen eingerichtet werden, in der sie ihre Dokumente sicher speichern und überall abrufen können.

 

Im Fachbereich Migration geht es uns um deutlich mehr als um die reine Unterbringung. Es geht darum anzukommen, sich neu orientieren und Perspektiven entwickeln zu können. Dafür soll sich unter anderem die Ausländerbehörde zum „Immigration- and Welcome Center“ weiterentwickeln, um gezielter auf die Anliegen der Migrant*innen eingehen zu können. Zusätzlich wird die städtische Antidiskriminierungsstelle gestärkt. Durch ein Netzwerk der Organisationen, die mit den verschiedenen Diskriminierungsformen vertraut sind - sei es Alter, Geschlecht, Herkunft, Behinderung oder sexuelle Orientierung - sollen noch mehr Menschen Kenntnis von ihren Rechten erhalten und dabei unterstützt werden, diese auch einzufordern.

 

Netzwerke und genreübergreifende Arbeit zu fördern, stellt für uns auch im Kulturbereich den roten Faden dar, denn davon profitieren die meisten Künstler*innen und Besucher*innen. Die Szene begegnet Corona gerade mit noch engerem Zusammenhalt. In den letzten Jahren haben sich zahlreiche Gruppen und Akteur*innen in der starken Freien Kulturszene zusammengefunden und wertvolle Projekte erarbeitet. Das wollen wir mit unseren Kulturanträgen bewahren und weiter voranbringen.

 

Nicht zuletzt treibt die Frage nach bezahlbarem Wohnraum viele um. In den Finanzausschuss haben wir daher einen Antrag eingebracht, der den Fokus noch stärker auf den Bau bezahlbarer Wohnungen für kleinere und mittlere Einkommen durch die hanova Wohnen GmbH richtet. Wir wollen unsere kommunale Wohnungsgesellschaft stärken, indem wir ab dem Jahr 2023 die jährliche Gewinnausschüttung an die Stadt nochmals deutlich reduzieren. Diese Mittel stehen der hanova dann für weiteren Wohnungsbau zur Verfügung, der den Markt für bezahlbaren Wohnraum auf lange Sicht weiter entlastet.

Neben der verstärkten Schaffung bezahlbaren Wohnraums ist es für uns Grüne aber genauso wichtig, den vorhandenen günstigen Wohnraum zu sichern und den Druck auf die Mietpreise zu mindern, um die gewachsenen Milieus in den einzelnen Quartieren zu erhalten. Mit entsprechenden Anträgen wollen wir die satzungsrechtlichen Grundlagen entwickeln, um Wohnraumzweckentfremdungen und Verdrängungsmechanismen durch Luxussanierungen und Umwidmungen entgegenwirken zu können.

 

Der Klimaschutz bleibt auch in Corona-Zeiten eine wichtige Herausforderung für die Zukunft unserer Stadt. Die von uns 2020 initiierte Drucksache „Klimapolitik als kommunale Aufgabe“ bietet dafür eine wichtige Basis. Die Maßnahmen aus dem „Masterplan Stadt und Region Hannover ǀ 100 % für den Klimaschutz“ sollen nun beschleunigt werden, um die beschlossene Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen um 95 % zeitnah zu erreichen, damit die Klimaneutralität Hannovers bis 2035 möglich wird.

Ein weiterer Baustein hierfür ist eine effiziente kommunale Wärmeplanung, entfällt doch derzeit mehr als die Hälfte des Energieverbrauchs auf die Wärmeerzeugung. Die Verwaltung wird daher von uns beauftragt, in Kooperation mit proKlima und der enercity AG ein Konzept für eine kommunale Wärmeplanung und den Aufbau eines Wärmekatasters sowie energetische Konzepte zu entwickeln.

Zudem sollen die Beratung und Beantragung von Fördermitteln im Umweltbereich gestärkt werden; dazu wollen wir Personalmittel für die Schaffung einer Projektstelle in der städtischen Klimaschutzleitstelle zur Verfügung stellen.

Ein wichtiger Baustein auf dem Weg in die Klimaneutralität ist die Mobilitätswende.

Mit den Haushaltsbeschlüssen zum Veloroutennetz, zu Radschnellwegen und zur Einrichtung eines Parkraummanagementsystems in den hochverdichteten Stadtteilen haben wir dazu schon im vorangegangenen Haushalt weitreichende Grundlagen geschaffen. Die Verwaltung hat nun ihrerseits ein deutliches Zeichen gesetzt, indem sie den Mittelansatz für den Radverkehr in diesem Haushalt gegenüber dem bisherigen Ansatz nahezu verdoppelt hat. Das begrüßen wir sehr.

 

Auf diesem Weg wollen wir weitergehen. Dazu gehört, dass wir die Nutzung und Verteilung des öffentlichen Raumes neu denken. Dass wir dem Vorbild von Städten wie Paris, Barcelona, Brüssel, New York, London, aber auch Berlin, Frankfurt, Hamburg, Bremen, Mannheim, Karlsruhe, Konstanz u. v. a. folgen und autofreie Zonen durch Verkehrsversuche erproben. So soll die Lister Meile zur Vorbereitung des in 2023 beginnenden Umbaus versuchsweise in Höhe des Weißekreuzplatzes für ein Jahr für den Kraftverkehr gesperrt werden. Die Ausweisung dieses Abschnittes der Lister Meile als Fußgängerzone war in dem bereits abgeschlossenen Beteiligungsprozess zur Umgestaltung des Weißekreuzplatzes mehrfach von den Teilnehmenden gewünscht worden.

 

Die Belebung von Plätzen und die Umnutzung von Räumen greifen wir auch im Wirtschaftsbereich auf. Der von uns vorgeschlagene Feierabendmarkt kann als neue Variante der gefragten Wochenmärkte mehr Leben in die Innenstadt bringen, die sich weg von der „autogerechten Stadt“ in eine kunden- und menschengerechte Stadt wandeln muss.

 

Auch in der Schmiedestraße wollen wir die Möglichkeit geben, Potenziale, die sich aus einer Umverteilung des Straßenraums entwickeln können, noch in diesem Jahr durch eine zeitweise Sperrung für den Autoverkehr im Bereich der Marktkirche zu erproben. Die Umgestaltung verläuft natürlich unter Beteiligung der Anlieger*innen und der Bevölkerung sowie im Rahmen des Innenstadt-Dialogs. Dass ein großes Interesse der Stadtbevölkerung an solchen Versuchen besteht, zeigt auch der Vorschlag, die Culemannstraße testweise zu sperren, um den Maschpark wieder zusammenzuführen. Ein Vorschlag, der - genauso wie im Fall der Lister Meile - aus der Stadtgesellschaft kommt.

 

Wir wollen gezielt solche Maßnahmen vorantreiben, die nicht auf Kosten der nachfolgenden Generationen gehen, sondern ihnen zum Nutzen sind. Wir laden ein, mitzugestalten und die Diskussionen kontrovers zu führen. Ein Verharren im Status quo aber, ein Festhalten am Althergebrachten, nur, weil man sich so schön darin eingerichtet hat, kommt für uns nicht in Frage. Das können wir uns nicht leisten, es müssen konkrete Lösungen her. Die Ansätze dafür sind längst da, es fehlt nur noch an der Umsetzung. Dafür haben wir mit unseren Anträgen die Weichen gestellt und unterstützen damit auch den Weg der Stadtverwaltung.

 

Die Umsetzung der Haushaltsanträge kann aber nur gemeinsam mit einer starken Verwaltung gelingen. Neben den Strategien, die die Verwaltung ohnehin plant, um dem Fachkräftemangel und dem bevorstehenden Ruhestand der Babyboomer*innen-Generation zu begegnen, haben wir innerhalb unserer Haushaltsplanberatungen weitere Punkte aufgegriffen, die wir für die kommenden Jahre deutlich stärker befördern möchten. Zum einen gilt es, die Anzahl der Ausbildungsplätze bei der Stadt zu erhöhen und somit jungen Menschen die Gelegenheit zu geben, eine abgeschlossene Qualifizierung zu erlangen. Gleichzeitig möchten wir den Quereinstieg für Interessierte aus gefragten Berufsgruppen vereinfachen und befördern. Das ist ein wichtiger Baustein für die Zukunft einer starken Stadtverwaltung.

 

Von der Presse werden wir immer noch gerne als Ökopartei bezeichnet. Dass wir aber weit mehr Themen und Strategien im Köcher haben, dürfte schon lange, und spätestens mit diesen Haushaltsanträgen, klar sein.

Starres Schubladendenken bringt keine*n voran, neue Herangehensweisen und flexible Zusammenarbeit sind gefragt, um Hannover solidarisch und zukunftsfähig zu gestalten. Dafür setzen wir uns mit unseren aktuellen Anträgen hier im Haushalt und auch in Zukunft ein.

 

Wir möchten uns zum Schluss bei allen aus Verwaltung, Politik und Stadtgesellschaft herzlich bedanken, die diese Ziele ebenso vor Augen haben.“

 

Detaillierte Informationen zu den einzelnen Fachbereichen und Anträgen finden Sie in vorangegangenen Beiträgen auf dieser Internetseite.