Statement der Grünen Ratsfraktion: Kunstrasenplatz vs. Naturfläche in Bemerode

  • Veröffentlicht am: 10. Januar 2020 - 12:55

Stellungnahme der Grünen Ratsfraktion zum Kunstrasenplatz in Bemerode und der Online-Petition „Naturfläche in Hannover-Bemerode erhalten“

Anfang des Jahres 2019 hat die Grüne Ratsfraktion nach sorgfältiger Abwägung dem Bau eines Kunststoffrasenfeldes in Bemerode zugestimmt. Dieses soll teilweise auf einer Sportvorratsfläche entstehen, auf der übergangsweise ein Biotop entstanden war. Da die Sportflächen dringend benötigt werden und eine artenschutzrechtliche Untersuchung 2018 ergab, dass die Bebauung der Fläche (unter bestimmten einzuhaltenden Voraussetzungen) artenschutzrechtlich nicht zu beanstanden ist, hat die Fraktion dem Vorhaben zugestimmt.

Im Detail:

Der Sportausschuss hat am 18.05.19 und der Verwaltungsausschuss des Rates der Landeshauptstadt Hannover am 23.05.19 der Erweiterung der Sportanlage des Turn- und Sportvereins Bemerode von 1896 e.V. um ein Kunststoffrasenspielfeld und eine Beach-Sportanlage jeweils einstimmig mit den Stimmen der Grünen Ratsfraktion beschlossen. Zuvor hatte der Stadtbezirksrat Kirchrode-Bemerode-Wülferode am 08.05.19 der Sportflächenerweiterung ohne Gegenstimmen bei Enthaltung der Grünen Fraktion zugestimmt.

Wir haben als Grüne Ratsfraktion dem Bau eines Kunststoffrasenfeldes und einer Beach-Sportanlage auf dieser Fläche zugestimmt, weil die Kapazitäten der Bezirkssportanlage Bemerode bereits seit längerer Zeit nicht mehr ausreichen und zudem die Einwohner*innenzahlen im Stadtbezirk durch den Bau des neuen Wohnquartiers Kronsrode (Kronsberg-Süd) deutlich ansteigen werden und sich damit zugleich auch der Sportflächenbedarf zwangsläufig verstärkt.

Kunststoffrasenplätze haben dabei den großen Vorteil, dass sie anders als Naturrasenplätze ganzjährig und insgesamt deutlich häufiger genutzt werden können, wodurch stadtweit gesehen der Flächenverbrauch für Sportanlagen reduziert werden kann. Daher haben wir als Grüne ein stadtweites Kunststoffrasenplatzprogramm mitinitiiert, wobei wir gleichzeitig dafür gesorgt haben, dass in Hannover kein Kunststoff-Einstreugranulat (eine der größten Quellen für Mikroplastik) sondern nur Quarzsand als Füllmaterial für Kunststoffrasenplätze verwendet werden darf.

Das neue Kunststoffrasenspielfeld der Bezirkssportanlage wird dabei auf einem Teil des Schulhofes der IGS Kronsberg (Nebenstelle) errichtet werden, wodurch das derzeitige Beach-Feld der Schule wegfällt. Als Ersatz wird eine neue Beach-Anlage gebaut, die sowohl vom Verein als auch von der Schule genutzt werden soll.

Bei der Zustimmung zur Erweiterung der Sportanlagen des TSV Bemerode war uns bewusst, dass durch den Bau eines Kunststoffrasenspielfeldes und einer Beach-Sportanlage bedauerlicherweise eine Naturfläche verloren geht. Es war aber bereits seit 1996 mit dem Beschluss des Bebauungsplans Nr. 1551 vorgesehen, in diesem Bereich die Bezirkssportanlage zu erweitern. Wobei im Übrigen, anders als in Zusammenhang mit der Online-Petition „Naturfläche in Hannover-Bemerode erhalten“ behauptet wird, keine Retentionsflächen des innovativen Kronsberger Entwässerungssystems von der Sportflächenerweiterung betroffen sind - die Retentionsflächen grenzen östlich und südlich an die Sporterweiterungsfläche an.

Gleichwohl gehen ein Großteil der 7.850m² Baum- und Strauchpflanzung auf der Sporterweiterungsfläche sowie weitere Einzelbäume auf Schulhofflächen und der jetzigen Sportplatzfläche des TSV Bemerode, die Lebensräume von Vögeln, Fledermäusen, Amphibien und anderen Tieren sind, beim Bau der neuen Sportanlagen leider verloren.

Es war aber von Anfang an geplant, dass das auf der Sporterweiterungsfläche geschaffene Biotop nur temporär Bestand haben kann. Die Alternative wäre damals gewesen, dort auf Anpflanzungen zu verzichten und die Sporterweiterungsfläche stattdessen freizuhalten, also Bewuchs und damit Biotope zu verhindern, die einer Nutzung als Sportfläche entgegenstehen könnten. Aus unserer Sicht sind aber auf Flächen mit Baurecht – in diesem Fall Baurecht für Sportanlagen - temporäre Biotope als ökologisch wertvolle „Zwischennutzung“ allemal ökologischen Wüsten vorzuziehen. Dies gilt für das gesamte Stadtgebiet und für städtische wie private Flächen.

Wichtig ist uns Grünen aber auch, dass bei schon lange geltenden Bebauungsplänen mit entsprechend veralteten artenschutzrechtlichen Untersuchungen - und das ist beim Bebauungsplan Nr. 1551 von 1996 selbstverständlich der Fall -, diese Untersuchungen aktualisiert werden müssen, um bei einem Bauvorhaben heute nicht möglicherweise gegen das Artenschutzrecht zu verstoßen. Im Frühjahr und Sommer 2018 wurden daher neue artenschutzrechtliche Untersuchungen durchgeführt, da für den gesamten Bereich ein neuer Bebauungsplan (Nr. 1861 Wilhelm-Göhrs-Straße) aufgestellt werden soll.

Im Rahmen dieser Untersuchungen wurde eine Kartierung der Biotope und der besonderen Einzelbäume vorgenommen. Weitere Untersuchungen fanden hinsichtlich der Vögel, Fledermäuse und Amphibien (Erdkröte, Berg- und Fadenmolch) statt. Anschließend wurden vom Gutachterbüro eine artenschutzrechtliche Beurteilung der nachgewiesenen Arten vorgenommen sowie vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen und Vermeidungsmaßnahmen festgelegt. Zudem wurden Empfehlungen zur Sicherung allgemeiner naturschutzfachlicher Qualitätsziele formuliert. Dabei wurde für die Sportflächenerweiterung festgestellt, dass diese artenschutzrechtlich nicht zu beanstanden ist.

Voraussetzung ist allerdings, dass die vom Gutachterbüro vorgegebenen Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen fachgerecht umgesetzt werden. So dürfen die Fällarbeiten beispielsweise nur außerhalb der Vegetationszeit und der Aktivitätszeit von Vögeln und Fledermäusen stattfinden. Vor den Baumfällungen, für die ein entsprechender Antrag gemäß der städtischen Baumschutzsatzung zu stellen ist, werden die betroffenen Gehölze gutachterlich auf potentielle Höhlen von Vögeln und Fledermäusen geprüft. Außerdem werden die Flächen vor der Räumung auf eventuelle Winterquartiere von Igeln untersucht. Auch für die Amphibien wird es Vorabkontrollen im Winterquartier und in den Fortpflanzungsgewässern geben. Darüber hinaus sollen für die Erdkröten und Molche ergänzende Ausgleichsmaßnahmen zur Verbesserung der Landlebensräume und zur Erweiterung der Fortpflanzungsgewässer umgesetzt werden. Dazu gehören die Schaffung von Winterquartieren in Totholz und Steinhaufen, die Anlage von kleinen naturnahen Tümpeln und die Sicherung eines Wanderkorridors in den an die Sportanlagen angrenzenden Retentionsflächen.

In Abwägung des dringenden Bedarfes an Sportflächen am Kronsberg mit dem Verlust einer Naturfläche haben wir uns daher als Grüne Ratsfraktion für die Erweiterung der Sportanlage des TSV Bemerode entschieden.

Um aber solche Konflikte zwischen Natur- und Sportflächen beim Bau von weiteren Kunststoffrasenplätzen in Hannover in Zukunft zu vermeiden, werden wir uns dafür einsetzen, dass künftig keine Grünflächen oder Naturrasenplätze mehr mit Kunststoffrasenplätzen überbaut werden, sondern ausschließlich sogenannte Tenneplätze (Ascheplätze) oder bereits versiegelte Flächen.