Rede Renee Steinhoff, Anträge im Gleichstellungsausschuss: Prävention statt Gewalt

  • Veröffentlicht am: 1. März 2021 - 16:35

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Renee Steinhoff
Renee Steinhoff, Foto: Sven Brauers, © Grüne Hannover

Rede von Renee Steinhoff zu den Haushaltsanträgen von SPD, Grünen und FDP zum Doppelhaushalt 2021/22 im Gleichstellungsausschuss am 01.03.2021. Es gilt das gesprochene Wort.

Prävention statt Gewalt

„Was für eine verrückte Zeit, in der wir leben. Solidarität leben heißt Kontakte zu vermeiden, möglichst zu Hause zu bleiben, die Rückbesinnung auf die Kernfamilie – doch was bedeutet das für die, die kein sicheres Zuhause haben? Was für die, die niemanden zu Hause haben, die einfach tagelang keinen Menschen sehen? Diese Pandemie fordert uns alle, aber manche in besonderem Maße. Sicherheitsnetze fallen weg. Der Blick von außen fehlt. Während der erste Lockdown aushaltbar war und eher Selbsthilfekräfte aktiviert hat, merken wir alle, wie belastend dieser zweite Lockdown ist. Insbesondere natürlich die, die sowieso schon in schwierigen Lebenslagen sind.

Dank der guten Arbeit unserer Gleichstellungsbeauftragten, Friederike Kämpfe, ist es gemeinsam mit den Frauenhaus-Teams und der Region gelungen, unser gerade vor Beginn der Pandemie in Hannover eröffnetes Frauenhaus.24 stark zu machen für die neuen Bedingungen. Es gab spontan größere Räume, damit weiter von Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern schnell und unbürokratisch geholfen werden konnte – unter Einhaltung der Hygienevorschriften. Nun zieht das Frauenhaus.24 dauerhaft in größere Räume und es ist leider zu erwarten, dass auch diese schnell wieder ausgelastet sein werden.

Unsere Beratungsstellen haben sich ebenfalls rasch auf die neue Situation eingestellt. Online-Beratung wurde ausgebaut, ebenso telefonische Beratung und zusätzlich führten viele Spaziergänge ein, um weiter für die Klient*innen da sein zu können. Das sind Erfolgsgeschichten, die wir sichtbar machen und schätzen sollten.

Doch natürlich gibt es auch Verzögerungen durch die Pandemie: Das für dieses Jahr geplante Frauenhaus für junge Frauen geht später als geplant an den Start. Wenn alles gut geht, gibt es zum 01. Juli ein weiteres Angebot zum Schutz von jungen Frauen und Mädchen. Wir haben Geld eingestellt für den Gewaltschutz. Das wollen wir auch genau zu diesem Zweck nutzen, um gerade in dieser herausfordernden Zeit und mit der schwierigen Haushaltslage nichts unversucht zu lassen, um Gewalt zu verhindern und Frauen und Mädchen zu stärken. Daher schlagen wir vor, für 2021 100.000€ zu nutzen, um damit die Präventionsarbeit zu stärken.

Zu nutzen für eine Ausweitung der Arbeit von TäBea, einem einzigartigen Projekt, das mit den Täterinnen im Kontext häuslicher Gewalt arbeitet. Bei einem Großteil der als Verursacherinnen von Gewalt geführten Taten handelt es sich um reaktive Gewalt oder auch als Notwehr empfundene Gewalt, wie wir alle wissen. Also wird die Situation genau geprüft und die Frau gegebenenfalls an eine Opferberatungsstelle weitergeleitet. Aber es gibt auch weibliche Verursacher*innen und immer mehr von ihnen melden sich selbst bei den Anlaufstellen, weil sie aus dem Teufelskreis von Gewalt aussteigen wollen. Hier wollen wir das Angebot ausbauen und auch den Bereich der Fortbildung von Multiplikator*innen stärken. Zudem rufen wir die Landesregierung auf, die Täter*innenarbeit in die BISS-Richtlinie aufzunehmen. Schließlich ist hier der proaktive Ansatz ebenso wichtig. Umso früher Gewalt erkannt wird, umso früher kann auch etwas dagegen getan werden.

Dieser Gedanke ist auch handlungsleitend für die Erhöhung der Förderung für das Männerbüro. Mit seinem Angebot für Täter, aber auch männliche Opfer, ist das Männerbüro vorbildhaft und leistet eine wichtige Arbeit. Die zusätzlichen Gelder sollen u.a. für die Schaffung weiterer Sprechstunden genutzt werden, um noch mehr Männern Angebote machen zu können und durch Beratung und Trainings vorbeugend gegen Gewalt zu wirken.

Dem Frauen-Treffpunkt ist es wunderbar gelungen, sich an die veränderten Bedingungen durch die Pandemie anzupassen. Durch die unmittelbare Ausweitung von Online- und Telefonangeboten konnte die Beratung aufrechterhalten werden und die Frauen wurden nicht allein gelassen. Dafür bekam der Frauen-Treffpunkt auch den Bürger*innenpreis des Stadtbezirks Vahrenwald-List, sehr verdient wie auch wir finden. Der Frauen-Treffpunkt ist Anlaufstelle für viele Themen: Beziehungskonflikte, Aufarbeitung von Gewalterfahrungen und insbesondere für Frauen mit eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten da, die in der Krise auch besonders betroffen sind, weil kostenfreie Angebote stark eingeschränkt sind. Die psychischen Belastungen nehmen zu. Mit den zusätzlichen Mitteln sollen hier die Sprechzeiten ausgeweitet werden, auch um die Warteliste abbauen zu können.

Mit dem Projekt Berta fördern wir ein neues Projekt der Johan-Jobst-Wagnerischen-Stiftung. Berta ist explizit für wohnungslose Frauen bzw. für die ausgelegt, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Es soll ein Wohnprojekt im Sinne des „Housing first“ entstehen. Viel innovativer finde ich aber noch die Einrichtung einer Cloud, in der die Frauen ihre wichtigen Unterlagen speichern und so sichern können vor dem Zugriff andere. Wie wir wissen, ist bei Frauen oft eine verdeckte Wohnungslosigkeit vorhanden. Sie kommen bei Freund*innen unter, oder bei Gelegenheitsbekannten, die Gegenleistungen erwarten. Der Zugriff auf die eigenen Dokumente, unabhängig vom Aufenthaltsort, stärkt die Position der Frauen und reduziert Abhängigkeiten. Wir wünschen dem Projekt Berta viel Erfolg!

Last but not least verstetigen wir das Projekt We take Care. Dies ist ein Antrag, der aktuell etwas aus der Zeit gefallen wirkt – es gibt gerade kein Club- und Nachtleben, wieso brauchen wir da Schutz vor sexualisierten Übergriffen? Auch dies ist ein Präventionsprojekt, das durch Schulungen für alle Angestellten im Club-Bereich wirkt und den Austausch und die Vernetzung fördert. Und brauchen wir nicht alle die Zuversicht, dass es wieder unbeschwerte Konzerte und Tanzabende gibt? Wir glauben daran und wollen den Clubs die Gelegenheit geben, den erfolgreichen Start des Projekts wieder aufzugreifen und weiterzuverfolgen. Zusätzlich zu den eingestellten 5.000€ werden die nicht-verausgabten Mittel des FrauenNachtTaxi in dieses Projekt fließen – damit auch diese Gelder erhalten bleiben, für mehr Sicherheit für Frauen und Mädchen.

Unser Schwerpunkt für diesen Haushalt ist Prävention statt Gewalt. Ich hoffe, dass Sie da mitgehen können und freue mich über die Zustimmung zu unseren Anträgen.“

 

Die Anträge von SPD, Grünen und FDP zum Doppelhaushalt 2021/22 im Gleichstellungsausschuss vom 01.03.21 im Überblick:

  • +10.000€ ab 2021 für TäBea für eine Ausweitung von Beratung und Trainings von Verursacherinnen von Gewalt und die Fortbildung von Multiplikator*innen
  • +8.000€ ab 2021 für das Männerbüro für zusätzliche Sprechstunden für Täter und männliche Opfer
  • +10.000€ für den Frauen-Treffpunkt für die Ausweitung der Sprechzeiten zur Reduzierung der Warteliste
  • +5.000€ für We take Care + Übertragung der Restmittel aus dem FrauenNachtTaxi für eine Verstetigung des Projekts für ein sicheres Nachtleben ohne sexualisierte Gewalt, inkl. Fortbildungen und der Ausweitung auf weitere Clubs
  • +13.500€ für das Projekt Berta für die Schaffung einer Cloud, damit wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Frauen einen sicheren Speicherort für wichtige Dokumente haben
  • +10.000€ für kleine Projekte in 2021 und 2022 für Frauen- und Mädchenprojekte für zusätzliche Gruppenangebote oder Sprechstunden oder auch die anteilige Finanzierung von Fortbildungen von Mitarbeiter*innen
  • +37.000€ für das QueerUnity, das erste queere Jugendzentrums Niedersachsens für eine Aufstockung der hauptamtlichen Betreuung für eine adäquate Begleitung der Jugendlichen
  • +10.000€ für die Trans*-Beratung beim BTZ für eine Ausweitung des Stundenkontingents, da es stark steigende Beratungsanfragen gibt und die aktuelle bestehende Wartezeit von 4 Monaten reduziert werden soll
  • Nutzung von 100.000€ in 2021 für die Querfinanzierung von Gewaltschutzprojekten
  • Konzeptauftrag für die Verwendung der mit dem Haushalt 2019/20 zur Verfügung gestellten Mittel für den Ausbau der Frauenhauslandschaft
  • Eine Konkretisierung der Kennzahlen für die Zielerreichung des wesentlichen Produkts Gleichstellung